Mundpflege und Mundtrockenheit bei Sterbenden

Der Mund ist einer unserer wahrnehmungsintensivsten Bereiche: im Vergleich zum Rücken findet man im Mund-Nasendreieck mehr als die 100-fache Anzahl von Tastkörperchen. Patienten haben im Verlauf ihrer Erkrankung unterschiedliche Erfahrungen mit der Wahrung bzw. „Nicht-Wahrung“ von persönlicher Intimität gemacht. Sie haben erlebt, dass therapeutische oder pflegerische Maßnahmen in Intimzonen ausschließlich unter dem Aspekt der Notwendigkeit verrichtet wurden oder werden mussten. Bereits gemachte Erfahrungen mit Mundpflege oder ungewollter intimer Berührung sind oft ursächlich mitverantwortlich für Unsicherheiten und Ängste, die im Ergebnis möglicherweise zur Verweigerung von Mundpflege führen.

 

Häufig atmen schwerkranke Menschen mit offenem Mund, das führt zu Austrocknung der Mundschleimhaut, es bilden sich Beläge, die später zu Borken werden, und es entstehen Risse und Entzündungen in der Schleimhaut. In der Folge hat der Patient bei jedem Schlucken, und vor allem wenn Speisen zu sich genommen werden, Schmerzen.

 

Der Mundpflege kommt in der Begleitung Sterbender ein große Bedeutung zu: wenn sie zugelassen und durchgeführt wird, kann sie die Lebensqualität der Patienten deutlich steigern. Allerdings niemals gegen den Widerstand des Patienten durchführen!

 

Mittel zur Anregung des Speichelflusses

  • Zitronenöl über eine Aromalampe
  • Saure Drops/Zitronendrops lutschen lassen
  • Gefrorene Ananas in den Mund geben
  • saure Tees z.B. Hagebutte, Malve

Lippenpflege

  • Pflegestifte
  • Panthenolsalbe

Regelmäßige Mundbefeuchtung

  • Mundspülen oder Auswischen des Mundes mit Hagebuttentee, Wasser oder Mineralwasser
  • Sprühen von Flüssigkeiten mit Hilfe eines Zerstäubers z.B. kalte Getränke (Orangensaft, Apfelsaft, Cola, Bier, Sekt), je nach Vorlieben
  • Befeuchten der Raumluft
    (DGP Sektion Pflege Stand 10/2004 Pflegeleitlinie Mundpflege in der letzten Lebensphase)

Die Mundpflege gestaltet sich vor allem bei Menschen mit Beeinträchtigungen der Wahrnehmung häufig nicht einfach, sie pressen die Lippen aufeinander und/oder wenden den Kopf ab. Das hat in der Regel mit unangenehmen und fremden Erfahrungen zu tun, die sie während der Mundpflege gemacht und erlebt haben. Fremdkörper im Bereich des Mundes werden von ihnen zusätzlich als problematisch empfunden.

 

Folgende Vorgehen bei der täglichen Pflege können helfen, die Mundpflege wahrnehmungsbeeinträchtigter Patienten so zu gestalten, dass sie ihren Mund weiterhin positiv empfinden, eigene Aktivität entwickeln können oder die Mundpflege zumindest als akzeptabel erleben.

 

Wahrnehmungsfördernde Mundpflege

  • Vertrauen aufbauen! Dem Patienten Zeit geben, die Person und die Maßnahme zu realisieren
  • Kontakt halten – je nach Wahrnehmungsfähigkeit
  • Innehalten, wenn der Patient Ablehnung zeigt
  • Zeitspanne der Aufmerksamkeit beachten
  • Gewohnheiten des Patienten berücksichtigen (welche Zahnpasta, Mundwasser? Zu welcher Zeit? Wie wurde die Mundpflege in früheren Zeiten durchgeführt)
  • Die Mundpflege in einen Sinnzusammenhang stellen, z.B. nach dem Gesicht waschen oder vor der Nachtruhe
  • Ruhige (evtl. abgeschirmte) Umgebung

Ruhige (evtl. abgeschirmte) Umgebung

  • Lagerung des Kopfes in Mittelstellung, leicht vorgebeugt, evtl. Stabilisierung des Kopfes durch Kissen oder Handtuchrolle
  • Bei fehlender Rumpf- und Kopfstabilität, Durchführung der Mundpflege in Seitenlage

Annäherung an den Mund

  • Systematisches Ausstreichen zum Mund hin
  • Sternförmige Berührungen bzw. Ausstreichungen des Gesichts in Richtung Mund
  • Kreisförmiges Umfahren der Lippen
  • Finger rollt sich hinter die Lippen (Das „Zwischen die Lippen durchquetschen“ erzeugt starke Abwehr)

Mundpflege durchführen

  • Langsame Vorgehensweise mit kleinen Pausen; Patient soll mitbekommen, was passiert
  • Systematischer, nachvollziehbarer, gut strukturierter Aufbau der Bewegungen
  • wenige verbale Informationen, es zählt vielmehr die Bewegung, die Handlung
  • Utensilien sehen, riechen, betasten lassen – je nach Wahrnehmungsfähigkeit
  • Auswahl der Materialien zur Mundpflege bedenken: Finger des Patienten/der Pflegenden/tupferummantelt?
  • Zahnbürste (elektrisch?)
  • Aktivitäten vom Patienten wenn möglich selbst durchführen lassen, dazu geführte Bewegungen anbieten
  • Anfang und Ende klar strukturieren
  • Zunächst im vorderen Bereich des Mundes arbeiten
  • Mundbereich (Wangeninnenseiten, Zahnfleisch) ausstreichen
  • Vorsichtiges Reinigen der Zähne von „rot nach weiß“
  • Nie gegen Widerstand zu tief in den Mund gehen
  • Pausen einlegen, Patient hat so die Möglichkeit zur Erholung und zum Abschlucken
  • Bei Abwehrbewegungen (Zubeißen, Kopf wegdrehen) pausieren, in Kontakt bleiben, noch mal versuchen
    Thomas Olschewski, Stefan Oelenberg, Münster 2006

Der Geschmack von Butter und Sahne wird von Menschen, die die Kriegsjahre miterlebt haben häufig mit positiven Gefühlen verbunden. Versuchen Sie die Lippen damit dünn einzustreichen, oft wird begonnen die Butter von den Lippen abzulecken!

© der Pflegetipps, wenn nicht gesondert vermerkt: Bettina Tews-Harms